|
|
|
Unser Dorf - Zeitungsberichte - 17.07.2010
|
Und plötzlich ging's abwärts |
Luise Mohr und
Lydia Peukert erzählen vom 16. Juni 1931. Es war der Tag, als
unter ihnen der Teufelssteg im Höllental einstürzte. |
|
|
Lydia Peukert (rechts) hat noch ihre Mutter Johanna Spörl vor
Augen, wie sie im Hotel König David gestenreich der angerückten
Kriminalpolizei klarmachte, dass der Herr Lehrer nichts für den
Unfall kann. Links Luise Mohr, geborene Gahn, die seit der
goldenen Konfirmation wieder regen Kontakt zu ihrer
Schulfreundin Lydia hat. |
|
Hölle - Um den Teufelssteg im Höllental
ranken sich nicht nur Sagen und Legenden. Es gibt zumindest eine
wahre Begebenheit, die einem die Haare zu Berge stehen lässt,
eine Begebenheit, die sich am 16. Juni 1931, also vor 79 Jahren
zutrug. |
|
Dieses Datum steht auf drei Fotos, die Luise Mohr
aus Naila gehören. Sie dokumentieren einen Ausflug der damals
vierten Klasse der Helmbrechtser Volksschule, der, wenn auch
keinen dramatischen, so doch einen spektakulären Verlauf nahm.
|
|
Die 88-jährige Luise Mohr (geborene Gahn) und ihre
Schulfreundin Lydia Peukert (geborene Spörl), die vor vier
Jahren von Helmbrechts in die Alexander-von-Humboldt-Klinik nach
Bad Steben gezogen ist, haben die Geschehnisse dieses für sie
unvergesslichen Tages noch genau vor Augen. Endlich hatte es mit
dem lang ersehnten Klassenausflug ins Höllental geklappt. Mit
dem Zug fuhren die 45 Mädchen der Klasse von Lehrer Karl Groß
zusammen mit einigen Eltern von Helmbrechts nach Klingensporn
bei Naila. Von dort aus wanderten die Mädchen über den Weißen
Felsen und Kleinschmieden ins Höllental. Es dürfte etwa 10.30
Uhr gewesen sein, als die Kinder den Teufelssteg erreichten, der
in etwa drei Metern Höhe die Selbitz überspannte. Ein Teil der
Kinder vergnügte sich mit den Eltern unten an der Selbitz,
während sich die anderen oben auf dem Steg versammelten und von
ihren Eltern fotografieren ließen. |
|
|
Es war der 16. Juni
1931, als der Teufelssteg im Höllental unter dieser
Mädchenklasse aus Helmbrechts zusammenbrach. Wie durch ein
Wunder wurde nur ein Mädchen verletzt. Oben links außen Luise
Mohr, in der Mitte mit den über dem Geländer verschränkten Armen
Lydia Peukert, die sich noch heute an dieses Abenteuer, wie sie
sagen, erinnern |
|
Da geschah das Unfassbare: Plötzlich gab der
Teufelssteg nach und senkte sich - zum Glück langsam - in die
Tiefe. Die Kinder, die sich auf der linken Hälfte der Brücke
befanden, konnten sich nicht mehr halten und rutschten allesamt
ins Wasser. Auch Luise Mohr und Lydia Peukert wurden patschnass.
|
|
"Ein Wunder, dass es nur eine Verletzte gab", kann
Luise Mohr ihr Glück heute noch kaum fassen. Ein Mädchen, Alma
Hofmann war es wohl, soll sich das Bein oder den Arm gebrochen
haben. So genau wissen es die alten Damen heute dann doch nicht
mehr. Möglicherweise war Alma Hofmann auch gar nicht unter den
Mädchen, die ins Wasser fielen, sondern wurde von einem
herumfliegenden Teil getroffen. Ein Glück für die Kinder war es
auch, dass die weiter oben angestaute Selbitz an diesem Tag kaum
Wasser führte. "Denn wer konnte damals schon schwimmen. Ich habe
es mein Leben lang nicht gelernt", sagt Luise Mohr. |
|
Lydia Peukert meint heute, sie habe damals
irgendwie eine Ahnung gehabt, dass etwas passieren könnte. "Ich
hatte in der Nacht geträumt, dass ich einen Hang hinunterstürze.
Als ich das am nächsten Morgen in der Klasse erzählt habe, zog
mich der Lehrer an den Zöpfen und schimpfte: Maadla, lass dir
doch so etwas nicht träumen, wo wir jetzt endlich so einen
schönen Ausflug machen können." |
|
|
Der Teufelssteg nach
dem Einsturz 1931. Im März 2008 wurde er, wie mehrfach
berichtet, beim Sturm Emma von einem umstürzenden Baum getroffen
und erneut zerstört. Erst in den vergangenen Wochen wurde er neu
errichtet. In den nächsten Tagen soll die Freigabe für die
Wanderer erfolgen. |
|
Schön war der Ausflug zu dem Zeitpunkt, als die
Brücke eingestürzt war, sicher nicht mehr. Ein Abenteuer aber
allemal. Das sagen die beiden 88-jährigen Damen auch heute noch.
Als am 16. Juni 1931 schließlich der erste Schrecken überwunden
und das verletzte Mädchen versorgt war, machte sich der Rest der
Gruppe auf zum Hotel "König David" in Hölle, wo man zu Mittag
essen wollte. |
|
Lydia Peukert weiß noch ganz genau, dass ihre
Mutter Johanna Spörl noch ganz aufgeregt die inzwischen
angerückten Beamten von der Kripo an der Tür abfing und mit
wedelnden Armen erklärte: "Also das will ich gleich mal
klarstellen. Der Herr Lehrer kann nichts dafür." Darauf habe der
Polizist freundlich darum gebeten, doch erst einmal eingelassen
zu werden. |
|
Wer übrigens glaubt, dass der Klassenausflug mit
dem Mittagessen endete, der irrt. Zwar wurden die Mädchen, die
ins Wasser gefallen waren, nach Hause gebracht, der Rest der
Gruppe marschierte aber weiter. Die Mädchen liefen noch zum
Hirschsprung und bis nach Blankenstein, um von dort aus mit dem
Zug zurück nach Helmbrechts zu fahren. |
|
In Helmbrechts brodelte inzwischen die
Gerüchteküche. Von bis zu vier Toten sei die Rede gewesen, weiß
Luise Mohr. Alles Humbug. Im Nachhinein habe sich
herausgestellt, dass die Brücke morsch war. Am Tag vor dem
Schulausflug haben möglicherweise Kurgäste eine Party auf dem
Teufelssteg gefeiert. Als die Mädchenklasse am nächsten Morgen
auf der Holzbrücke stand, sei sie in der Mitte
auseinandergebrochen. |
|
"Wir wussten gar nicht, wie uns geschieht. Wir
haben erst gemerkt, was los ist, als wir patschnass waren",
erklären Lydia Peukert und Luise Mohr gleichermaßen. Beide waren
übrigens in ihrem Leben noch oft im Höllental und am
Teufelssteg. So viel Respekt, dass sie das Tal nach dem
Klassenausflug mieden, hat ihnen der Beelzebub dann doch nicht
einflößen können. "Wir haben in unserem Leben noch ganz andere
Schläge einstecken müssen als einen Sturz vom Teufelssteg in die
Selbitz", sagen die beiden munteren Damen 79 Jahre nach dem
aufregenden Erlebnis. |
|
|
|
|